Lothar Anhalt:Geht unter die Haut …

Bei den sommerlich heißen Temperaturen der letzten Wochen zeigt Mann und auch Frau mehr Haut. Und da zeigt sich auch, was sich sonst unter Hemden, Pullovern und Jacken verbirgt, nämlich so manches Tattoo. Von kunstvollen Mustern bis hin zu Bildern, die einem Gemälde gleichen, oder auch Schriftzüge mit Namen oder Textstellen in allen möglichen Sprachen.

Ein echter Hingucker war für mich so ein Tatoo auf dem Rücken eines Mannes. Ich schätze ihn mal so Anfang vierzig. In englischer Sprache stand da in großen Buchstaben halbrund von einem Schulterblatt bis zum anderen: "Only God can judge me." Sinngemäß übersetzt: "Alleine Gott wird mein Richter sein." Und in der Mitte darunter ein Kreuz, das wie ein Ausrufezeichen wirkte.

Das ging mir irgendwie "unter die Haut", weil es so selbstbewusst und aussagekräftig wirkte. Auch wenn ich nicht weiß, welche Erfahrung dahintersteht, warum er sich gerade dieses Tattoo hat machen lassen. Die Botschaft wirkte auf mich aber irgend befreiend und gleichzeitig überzeugend.

Mir wurde bewusst, wie oft auch ich vorschnell andere richte, sie verurteile - vorverurteile ob ihres äußeren Erscheinungsbildes, ihres Auftretens oder ihrer Art zu leben oder wie sie auftreten.

Der Situationen gab und gibt es genügend, die mich oft nachhaltig beschäftigt, ja, zuweilen auch belastet haben.

Klar, man muss Tattoos nicht mögen, ich selbst habe auch (noch) keines. Aber dieser Satz auf oder korrekter unter der Haut ermahnt mich, vielleicht künftig achtsamer und vor allem zurückhaltender in meinem Urteil zu sein. Auf andere Weise aber geht mir immer wieder etwas beim Lesen und Hören unter die Haut, nämlich die Botschaft Jesu, wenn er sagt: "Richtet nicht, damit auch ihr nicht gerichtet werdet." (Mt 7,1) oder hoffnungsvoll ausgedrückt: "Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist!" (Lk 10,25)

Lothar Anhalt, Pfarrer der Pfarrei Linz an Rhein und Höhe St. Marien