Wiebke Waltersdorf und Katrin Wüst:Mitgefühl - ist das altmodisch?

Mitgefühl – ist das altmodisch? Oder topaktuell und sogar revolutionär? Der reichste Mann der Welt hat gesagt, dass Mitgefühl die fundamentale Schwäche der Zivilisation ist. Eine steile These! So wird eine zutiefst menschliche Emotion zur Gefahr! Dabei entwickeln fast alle Kinder schon sehr früh Empathie, und es gibt sie sogar bei Tieren.
Zurzeit gewinnen Gruppierungen und Parteien weltweit an Zulauf, die sich aktiv gegen das Mitgefühl stellen und es am liebsten abschaffen würden. Mitgefühl ist dort nicht nötig - weder mit Menschen mit Behinderung noch mit Fluchterfahrung. Keine Empathie mit Schwulen und Lesben, Trans-Menschen, Obdachlosen, Kindern mit Autismus oder anderen Menschen, die nicht in eine bestimmte Vorstellung von "normal" passen.
Im Christentum dagegen gehört Mitgefühl zu den Säulen des Glaubens.
Diakonie und Caritas sind seit fast 200 Jahren Ausdruck der "tätigen Liebe". Die Bibel erzählt im Alten und im Neuen Testament viele Geschichten von Gottes überschwänglicher Liebe. Diese gilt oft auch Außenseiterinnen und Verlierern. Wir hören: Jesus wendet sich immer wieder Menschen am Rand der Gesellschaft zu, den "Sündern", den Kranken, den Armen, den Frauen. Er predigt Gottes Liebe und ruft uns zu Nächstenliebe auf. Das ist der Kern unseres Glaubens!
Wenn Mitgefühl für die Mächtigen gefährlich wird, dann ist es potentiell revolutionär. Eine Revolution des Mitgefühls, der Widerstand der Nächstenliebe: Ich glaube, es ist in an der Zeit.
Pfarrerin Wiebke Waltersdorf und Pfarrerin Katrin Wüst (Foto: Alexandra Bosbeer)