Alexander Just:"Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als erster einen Stein auf sie."

Jesus sagt dies im Kontext eines Ehebruchs. Steine geworfen werden in unserer Gesellschaft nicht wegen Ehebruchs, wohl aber gegen Menschen, die fliehen. Sie stehen unter dem Generalverdacht >illegaler Migration< und werden zu >Sündenböcken< für sich zuspitzende Problemlagen und Ängste.
Die Würde des Menschen ist unantastbar, heißt es im viel beschworenen Grundgesetz. Aber wenn es darauf ankommt, diese Würde unabhängig von Herkunft, Hautfarbe und allem anderen zu schützen, gilt der Grundsatz nicht mehr uneingeschränkt.
Fliehende werden eher wie lästiges und gefährliches Stückgut behandelt, das schnell außer Landes gebracht oder besser erst gar nicht hineingelassen werden sollte.
Die Abschiebung von Geflüchteten in Terrorregime und dann in die Wüste beunruhigt nur wenige. Ihr Leid spielt in der politischen Debatte kaum eine Rolle, auch nicht die Frage, warum sie ihre Heimat verlassen müssen und sich auf unglaublich brutalen Wegen nach Deutschland durchschlagen, in der vagen Hoffnung, hier auf Menschen zu treffen, die ihnen helfen.
Die jüdisch-christliche Tradition sensibilisiert für fremdes Leid. Sie setzt ihr Vertrauen auf einen Gott, der die Schreie aus dem Elend hört und das Leid erkennt. Sie folgt einem Messias, der als politischer Aufrührer gekreuzigt wurde, weil er jede Herrschaft von Mensch über Mensch abgelehnt hat. Dies stellt uns an die Seite der Menschen, die unter die Räuber gefallen sind und am Rand der Gesellschaft stehen und darin an die Seite aller Menschengeschwister.
"Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als erster einen Stein auf sie." Das wäre als Aufforderung zu verstehen, selbstkritisch über die eigenen Verstrickungen in das Elend der Fliehenden, z. B. durch die Zerstörung der Lebensgrundlagen, nachzudenken und sich nicht abzufinden mit der Welt wie sie ist.
Alexander Just, Pastoralreferent und Engagemententwickler im Pastoralen Raum Neuwied